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Vorteile, Potenzial, Praxisberichte
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Der 279. Waldv. Energie-Stammtisch startete am 5. Sep. 2024 mit der Besichtigung der Agri-Photovoltaik-anlage von APV am Ortsrand von Dallein, am Nachbargrundstück im Westen des APV-Betriebsgebäudes.
Unter Führung von Jürgen Schöls, Biobauer und Gründer von APV und Karl-Heinz Steindl, der bei APV das operative Geschäft leitet, besichtigten mehr als 40 Personen die Kombination aus Solarzaun in Reihen, Blühstreifen und landwirtschaftlicher Bewirtschaftung. Die Fläche ist als Grünland-PV gewidmet und knapp 2 Hektar groß. Der Reihenabstand beträgt 7 Meter, die Fundamente sind gerammt, d.h. es gibt keine Versiegelung und keine Flächenkonkurrenz zur Lebensmittelproduktion. Die Photovoltaikmodule sind senkrecht montiert, die Reihen Nord-Süd ausgerichtet und bifacial, d.h. sie können die Sonne von Osten und Westen nutzen und damit ist die Stromproduktion mehrfach ausgleichend gegenüber einer klassischen Südausrichtung. Die Besichtigung wurde im Schauraum im neuen APV-Gebäude fortgeführt und dabei den Besuchern die Produktvielfalt und Innovationen von APV in den Bereichen Kulturpflege, Grünland, Säen und Streuen, Pflanzenschutz & Düngung sowie Winterdienst vorgestellt.
Ab 19.30 fand in der Kantine im neuen Betriebsgebäude der 279. Waldviertler EnergieStammtisch als Infoabend zum Thema „Agri-Photovoltaik, ein Weg zum DREIFACHNUTZEN für Landwirtschaft, Artenvielfalt & Ökostrom“ statt. Jürgen Schöls als Hausherr begrüßte die rund 50 Interessierten und gab Einblicke in seine Motivation und den Projektstart. Karl-Heinz Steindl ging auf technische Details insbesondere zur Anlagenverschaltung und Netzanbindung des Modulfeldes ein. Dabei wurde klar, dass in Summe 979 kWp Modulleistung und 670 kW Wechselrichterleistung installiert werden konnten. Die ursprüngliche Netzzusage von 1 MW zu Projektstart 2021 wurde leider 2023 reduziert.
Markus Amatschek, der Geschäftsführer der WEB energy sales in Pfaffenschlag bei Waidhofen/Thaya, dem Stromversorger, der den Strom abnimmt, berichtete über erneuerbare Stromerzeugung und Einspeisung aus Sicht des Stromversorgers WEB. Ein wichtiger Punkt dabei war das Thema Hybridkraftwerke, d.h. die Nutzung eines Netzzugangs für Windkraft und Photovoltaik wie z.B. in Grafenschlag südlich von Zwettl.
Er zeigte weiters auf, dass durch den enormen Zubau an Photovoltaik in Österreich die Strompreise an der Börse mittags, insbesondere am Wochenende für kurze Zeit negativ sein können, während abends Preise von 20 Cent pro kWh erzielbar sind. Die senkrechte Ausrichtung von Photovoltaik bei Agri-PV bietet hier aus seiner Sicht große Vorteile: Die Stromproduktion beginnt früher, hat ihre Spitzen am Vor- und Nachmittag und reduziert die Mittagsspitze der konventionellen Südanlagen. Dies und eine eventuelle Weiterverschiebung des erzeugten Stroms mit einem Speicher (z.B. 200 kWh) um 1-2 Stunden passt sehr gut zum generellen Strombedarf bzw. seinem Verlauf.
Ein weiterer Punkt ist, dass die Photovoltaikerzeugung zu sinkenden Energiepreisen beiträgt, allerdings wirkt dies auch auf die Einspeisepreise, insbes. bei fehlendem Verbrauch bzw. mehr Einspeisung am Wochenende. Für die Optimierung gibt es eine Reihe von Ansatzpunkten von verbessertem Produktionsprofil bei der Planung bis zu Sektorkopplung mit Wärmepumpe bzw. E-Fahrzeugen oder flexiblen Lasten im Produktionsprozess bis hin zu Energiegemeinschaften. Er schloss mit dem Hinweis, dass die WEB tagtäglich an innovativen Konzepten im Rahmen ihrer Energiewendepartnerschaft für Bezugskunden arbeitet.
Franz Dachsberger von INTELLIKOM ENERGY (Lieferant bzw. Errichter) gab einen Einblick in seine Motivation, solche Agri-Photovoltaikprojekte in vielfältiger Form umzusetzen und das große Potenzial gemeinsam mit den Kunden zu nutzen.
Gernot Stöglehner, Raumplaner von der Universität für Bodenkultur war der nächste Vortragende. In seinem umfassenden Vortrag spannte er einen Bogen zu Agri-PV aus raumplanerischer Sicht von der wichtigen Rolle in der Energiewende über die Anlagentypen von Agri-PV und Gestaltung als Qualitätsmerkmal bis hin zu Vertragsraumordnung als sehr gute Möglichkeit für Gemeinden die Qualität der Nutzung der gewidmeten Flächen sicherzustellen.
Last but not least war Jiří Bím vom tschechischen Photovoltaikverband an der Reihe. Er zeigte nicht nur einen Vergleich des Strommix der beiden Länder, sondern berichtete auch über das seit Juli 2024 gültige Gesetz zu Agri-Photovoltaik und die Verordnungen dazu, die in Vorbereitung sind. Er sieht es klar so: „Tschechien hat die Chance, das beste Gesetzessystem für Agri-PV in Europa zu haben.“
Nach den Vorträgen erinnerte Gottfried Brandner daran, dass man von Dallein zwar einerseits die Kühltürme von Dukovany sieht, aber andererseits auch ein reales Beispiel, wie innerhalb von 12 Jahren über 2 MW Photovoltaikleistung umgesetzt wurden: 1 MW auf Dächern und 1 MW Agri-PV.
Pünktlich nach 2 Stunden bedankte sich Moderatorin Renate Brandner-Weiß bei allen, die zum Gelingen des Abends beigetragen haben, ganz besonders bei APV für seine Gastfreundschaft und bei Milan Vacha, der durch seine Simultanübersetzung* die zweisprachige Durchführung UND die große inhaltliche Tiefe und Dichte erst möglich machte. Nach dem Plenum gab es noch die Möglichkeit zu individuellem Austausch und Vernetzung, die intensiv genutzt wurde.
* Die Simultanübersetzung und die Erstellung eines Videos zur Veröffentlichung auf dem Youtube-Kanal des Waldv. EnergieStammtisches ist nur durch die finanzielle Unterstützung des Landes NÖ (Anti-Atomkoordination) möglich.
Vorteile von Agri-PV kurz:
• Bifaciale Module, senkrecht, nutzt die Sonne von Osten und Westen
• Keine Flächenkonkurrenz zur Lebensmittelproduktion
• Feuchtere Böden durch Teilverschattung und Windschutz
• Zusätzlicher Erlös aus Doppelnutzung
• Krisenfest bei klimabedingten Ernteverlusten
• Regionale und gleichzeitige Produktion von Strom und Nahrungsmitteln
• Höhere soziale Akzeptanz durch geringsten Flächenverlust (2 %)
• Diversifizierung der Erlöse für Landwirte durch Stromverkauf oder Pachteinnahmen
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